Die Einführung agiler Arbeitsmethoden ist ein sehr individueller Prozess und muss für jedes Unternehmen separat betrachtet werden. Es gibt keinen pauschalen Plan, dem man Punkt für Punkt folgen kann. Allein bei der Toolauswahl gibt es zahlreiche Möglichkeiten, um den Übergang von klassisch zu agil zu gestalten.
Im Folgenden beschreiben wir die Möglichkeiten, wie man mit Bordmitteln des „klassischen“ Tools Micro Focus (MF) Application Lifecycle Management ein agiles Arbeiten ermöglicht. Zudem ziehen wir einen Vergleich, welche Einschränkungen und Vorteile gegenüber dem modernen, agilen Tool Micro Focus ALM Octane vorhanden sind. Dabei wird nur eine kleine Auswahl an Funktionen von Octane betrachtet, da ein 1:1-Vergleich zu ALM – aufgrund fehlender Features – nicht möglich ist und dies den Rahmen dieses Artikels sprengen würde. Eine ausführliche Funktionsübersicht über Octane finden Sie unter https://software.microfocus.com/en-us/products/alm-octane/overview.
Die Funktionen eines eigenen Templates in Micro Focus ALM
Micro Focus ALM wurde als klassisches Testmanagementtool konzipiert und befindet sich seit Jahren in dieser Aufgabe bei Unternehmen im Einsatz. Mit Hilfe der Bordmittel ist es allerdings möglich, sich sein eigenes agiles Template zu bauen, mit welchem agile Methoden wie Scrum und KanBan auch in ALM abgebildet werden können.
Die profi.com AG hat ein Template für ALM entwickelt, welches sich an den Prozessen von Scrum orientiert. In diesem Template steht die Umstrukturierung des Requirements-Moduls zu einem Backlog im Mittelpunkt. In diesem hat man sowohl einen Überblick über alle Backlog Items (Product Backlog), als auch alle anderen sprint-relevanten Items (Sprint Backlog). Dafür mussten neue Requirement-Typen angelegt, Entitäten umbenannt und mit neuen Daten versehen werden. Über zusätzliche Funktionen ließ sich eine Synchronisierung zwischen dem Requirements- und Defect-Modul erzielen. Damit erreicht man eine nahezu vollständige Darstellung des Produkt-Backlogs, wie man ihn aus anderen Tools kennt.
Der agile Vergleich: Octane vs. ALM
Micro Focus Octane erweitert den Umfang von ALM um zahlreiche Funktionen und setzt dabei auf ein vollständig neues User-Interface. Neben den bekannten Modulen wie Requirements und Defects, stellen die Module Backlog und Pipelines die größten Erweiterungen dar. Nachfolgend ein Überblick über wichtige Features für agile Methoden und der Vergleich mit den eigens neu geschaffenen Funktionen des agilen Templates in ALM.
Backlog: Octane besitzt ein eigenes Modul zur Darstellung der Backlog-Items. Das beinhaltet alle gängigen Element-Typen, die z.B. in Scrum Anwendung finden (Epics, Features, User Stories). Außerdem bekommt man verschiedene Ergebnisdiagramme angezeigt, welche den Status der User Stories, die bereits abgearbeiteten Story Points und die Anzahl der Defects pro Feature darstellt.
Im Vergleich dazu spielt sich im agilen Template von ALM alles im Requirements-Modul ab, was dieses schnell unübersichtlich werden lässt. Außerdem bekommt man stets alle Sprints angezeigt, welche man über diverse Hierarchie-Ebenen gliedern muss, während in Octane nur die Elemente des aktuellen Sprints angezeigt werden. Typische Diagramme wie das Burndown-Chart müssen in ALM manuell hinzugefügt und umständlich mittels der Reports erstellt werden.
Micro Focus ALM stößt durch die zahlreichen Anpassungen im Workflow mit seiner Perfomance an die eigenen Grenzen.
Pipeline: Über das Pipeline-Modul lassen sich Anbindungen zu externen Systemen herstellen. Im Rahmen einer CI/CD-Anbindung lässt sich z.B. Jenkins anbinden und fortan sieht man auch in Octane alle Jobs, die über Jenkins ausgeführt werden. Die Jobs lassen sich auch aus Octane heraus starten. Zusammen mit automatisierten Tests aus Micro Focus UFT, lässt sich ein komplettes Deployment über Octane starten – inklusive aller Tests, die damit zusammenhängen. Anschließend müssen nur noch die Defects ausgewertet und behoben werden.
In ALM existiert diese einfache und unkomplizierte Anbindung an Fremdsysteme nicht, was den Entwicklungs- und Testprozess auf verschiedene Systeme verteilt und damit einander verfremdet. Es existiert jedoch ein Jenkins Plugin, was es erlaubt, Testresultate von Jenkins zu importieren.
ChatOps: Octane bietet die Möglichkeit, einen Slack Arbeitsbereich einzubinden. Das erlaubt es Mitarbeitern und Stakeholdern, Diskussionen in Slack aus Items heraus von Octane zu eröffnen. Das stärkt den schnellen Austausch innerhalb des Teams. Damit lassen sich nicht nur Diskussionen aus Backlog-Items, sondern auch aus dem Analyse-Tab von Octane aufrufen.
Micro Focus ALM bietet alternativ eine Skype-Business-Anbindung, wie sie Octane auch unterstützt.
Fazit
Bietet ein agiles Template mit Bordmitteln von Micro Focus ALM einen ebenbürtigen Ersatz zu Octane? Nein. Dennoch kann es ratsam sein, zuerst ein solches Template zu nutzen, bevor der Umstieg auf Octane erfolgt. Der Entscheidung, auf agile Entwicklungsmethoden zu setzen, folgen zahlreiche Diskussionen und Herausforderungen, die einen Großteil aller Mitarbeiter im Unternehmen trifft.
Herausforderungen bietet aber auch der Umstieg auf ein neues Tool zur Genüge. In beiden Fällen müssen Prozesse, Schnittstellen und Verfahrensweisen angepasst werden. Bevor man zwei große Baustellen zeitgleich eröffnet, kann es ratsam sein, sich erst den agilen Methoden mit einem angepassten ALM anzunehmen. Damit befindet man sich weiter in einer vertrauten Umgebung.
Aktuell und auch in naher Zukunft bietet Micro Focus den kostenlosen Wechsel der Lizenzen von ALM zu Octane an. Auch ein Wechsel zurück ist jederzeit problemlos möglich.